Was macht die Corona-Zeit mit uns?
Ich höre sehr oft in meiner Praxis „Corona macht mir nichts aus“. Stimmt das?
Warum haben im Moment so viele Menschen Verdauungsstörungen, Kreuz- und Nackenschmerzen, Herzrasen, innere Unruhe, Schlafstörungen, Nachtschweiß, Appetitlosigkeit, Kinder wollen nicht mehr schlafen gehen und finden keine Ruhe, u.v.m.? Dies alles hat mit unserem autonomen Nervensystem und der derzeitigen Situation zu tun.
Ich möchte Ihnen heute (in einfacher Form) erklären, was da gerade vor sich geht.
Unser autonomes Nervensystem
Das autonome Nervensystem ist Teil unseres Nervensystems und kontrolliert lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Verdauung und Stoffwechsel. Auch einzelne Organe oder Organsysteme werden beeinflusst. Also nicht bewusste Körperfunktionen.
Es möchte uns immer beschützen. Das heißt es ist ständig damit beschäftigt und checkt 24 Stunden ab, ob irgendwo eine Gefahr für uns lauert. Seine kleinen feinen Antennen sind also immer aktiv. Manchmal spüren wir das, wenn uns ein Fremder gegenüber tritt und wir einen Schritt zurück treten oder uns irgendwie unwohl fühlen.
Dieses Nervensystem ist unterteilt in Parasympathikus und Sympathikus.
Parasympathikus
Der Parasympathikus ist zuständig für Ruhe und Verdauung. Wenn wir zur Ruhe kommen, verlangsamt sich der Herzschlag, die Verdauung wird angeregt, die Pupillen verengen sich, der Speichelfluss wird angeregt, die Bronchien werden enger, die Adrenalinausschüttung nimmt ab, Harndrang und Harnblasenentleerung werden gefördert…jetzt können wir uns erholen. Ist der Parasympathikus geschwächt, fühlen wir uns erschöpft, müde und ruhelos.
Sympathikus
Der Sympathikus ist zuständig für Flucht oder Kampf, d.h. für eine schnelle Mobilisierung und Reaktion des Körpers, wenn „Gefahr“ besteht. Sobald unser autonomens Nervensystem also Gefahr wittert, wird er aktiviert.
Die Verdauung wird eingestellt, die Pupillen weiten sich, die Atemwege erweitern sich, der Herzschlag wird beschleunigt (Adrenalinausschüttung), der Speichelfluss wird gehemmt, die Schweißdrüsen werden aktiviert und alle unsere Energie geht in die Muskeln, damit wird „flüchten“ oder „kämpfen“ können. Auch das Hormon Kortisol wird ausgeschüttet und stellt uns somit Energie bereit.
Viele Menschen leiden im Moment unter Störungen in Organsystemen:
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Muskulatur- und Skelettsystem
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Atmungsorgane
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Herz-Kreislaufsystem
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Haut
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Magen-Darm-Trakt
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Ausscheidungs- und Sexualfunktion
Es treten Symptome auf wie:
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Bauchschmerzen, Übelkeit, das Gefühl von Überblähung, belegte Zunge, übler Geschmack, Sodbrenne, Durchfall, Appetitlosigkeit
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Vermehrter Harndrang, Ausfluss
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Fleckigkeit der Haut, Gliederschmerzen, unangenehme Taubheit oder Kribbelgefühl und Jucken
Wir Menschen brauchen immer das Gefühl von Sicherheit!
Die „Antennen“ unseres autonomen Nervensystems arbeiten 24 Stunden und im Moment auf Hochtouren. Egal wo wir uns bewegen, es wittert durch das Corona Virus überall Gefahr. Wenn wir einkaufen gehen befürchtet es, dass wir jemandem zu nahe kommen oder das uns jemand zu nahe kommt, wenn wir den Griff vom Einkaufswagen anfassen, wenn wir zur Arbeit gehen, die Maske aufsetzen…..
Hierdurch ist unser Sympathikus die ganze Zeit aktiv, richtet ein Wirrwarr im Kopf an und unser Parasympathikus „verhungert“. Wir können so etwas durch Stress mal eine gewisse Zeit aushalten, sind aber für die Daueraktivierung des Sympathikus nicht gemacht. Probleme treten auf, wenn es nicht gelingt, aus dem sympathischen Zustand in den parasympathischen Zustand zu wechseln, was in der derzeitigen Corona-Zeit sehr schwierig ist. Wenn Parasympathikus und Sympathikus in Balance sind, geht es uns gut!
Der Vagusnerv
Die Steuerung des Parasympathikus läuft über den Vagusnerv. Dieser läuft durcu unseren gesamten Körper und befindet sich an beiden Seiten. Er ist verantwortlich für die regulatorische Kontrolle des Herzens, der Lunge, der Muskeln von Rachen und Atemwegen, der Leber, des Magens, der Bauchspeicheldrüse, der Gallenblase, der Milz, der Nieren, dem Dünndarm und einen Teil des Dickdarms. Die Verdauung wird hauptsächlich vom Vagus gesteuert.
Unsere Gesundheit wird in hohem Maße von der Funktionsfähigkeit des Vagus bestimmt. Je höher der Vagotonus, desto besser kann sich unser Körper nach einer Stressphase erholen. Also je besser unsere Gesundheit und umgekehrt.
Funktionsstörungen des Vagusnerv zeigen sich durch:
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Gestörte Atemwege
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Verdauungsstörungen
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Entzündliche Krankheiten
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Schmerzen im Knie, Schultern, Hüften
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Schlafstörungen
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Appetitlosigkeit
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Depression und Ängsten
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Chronische Müdigkeit
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Bluthochdruck
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Reizdarmsyndrom
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Kreuz- und Nackenschmerzen
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Nachtschweiß
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Innere Unruhe
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u.v.m.
Etwa 80 % unserer Zeit sollten wir unseren Vagusnerv aktivieren und in einem weitgehend parasympathischen Zustand sein. Im Moment können wir nicht wirklich in diesen Zustand wechseln und schalten so die Vagusaktivität ab und hören auf, sie zu trainieren.
Mentale und emotionale Stressoren rufen die selben Reaktionen in uns hervor, wie ein Tiger, Löwe oder Bär, als etwas, dass unser Leben bedroht.
Den Vagusnerv aktivieren
Wir sollten als unbedingt unseren Vagusnerv aktivieren und trainieren, um wieder in Balance zu kommen. Hierzu gibt es viele Übungen, die ich in meiner Praxis mit meinen Klienten trainiere.
Der Vagus wird auch trainiert, wenn wir in Gesellschaft sind und direkten Kontakt zu anderen Menschen haben. Unsere Gefühle von Glück und Positivität stehen in direktem Zusammenhang mit der Aktivität des Vagusnervs. Soziale Kontakte trainieren als den Vagus. Doch leider ist uns dies im Moment nicht möglich.
Was macht Corona mit unseren Kindern?
Bedauerlicherweise habe ich in meiner Praxis zunehmend Kinder mit Ängsten und Panikattacken. Sie berichten mir von Herzrasen, nicht alleine schlafen wollen….
Da ich das Gefühl einer Panikattacke und Ängsten selbst kenne (und besiegt habe), beschäftigen mich Kinder im Moment sehr. Aus meiner Sicht sieht es derzeit für Kinder so aus:
Da draußen gibt es ein riesiges Monster, vor dem alle Angst haben. Ich kann das Monster nicht sehen, dann könnte ich ja weglaufen. Also ist es noch gefährlicher. Jetzt vermummen sich die Menschen, puh, dass muss ja wirklich richtig gefährlich sein. In den Nachrichten (Kinder bekommen alles mit!) dreht sich alles um dieses Corona-Ding. Die ganze Welt ist betroffen, es gibt viele Tote und ständig gibt es mehr Menschen, die sich infizieren….
Ich darf nicht zur Schule oder KITA gehen und meine Freunde darf ich auch nicht sehen. Zu Oma und Opa darf ich auch nicht. Ständig höre ich:“Wir müssen die Alten schützen“. Die alten sind für unsere Kinder nicht nur Oma und Opa, sondern auch wir, die Eltern. Das heißt, wenn die Eltern zur Arbeit oder einkaufen gehen lauert überall das Monster und viel schlimmer, sie können nicht davor abhauen, denn sie können es ja nicht sehen. Also haben die Kinder riesige Sorge um ihre Eltern.
Es entstehen ganz viele der oben genannten Symptome und Alpträume. Auch Erwachsene berichten mir zunehmend von schrecklichen Träumen.
Kinderangst hat viele Gesichter. Sie verrät sich in Unruhe, Schlafstörungen, gewalttätigem und gereiztem Verhalten bis hin zu Angstattacken. Manche Kinder ziehen sich auch zurück und verstummen (Angst schnürt die Kehle zu). Es fällt ihnen schwer, ihre eigenen Ängste klar zu benennen. Sie spüren die seelische Bedrohung deutlich, wissen aber nicht, was in diesem Moment in ihrem Inneren passiert.
Auch ein gesenkter Blick, Bauchweh, Kopfschmerzen, Nervosität, unruhiges Kratzen, schreien, zwanghaftes Verhalten und rhythmisches Schaukeln können ein Zeichen für Angst sein.
Nehmen Sie sich bitte viel Zeit für Ihre Kinder und haben Sie Geduld. Kindern fällt es schwer zu beschreiben, wie sie sich fühlen.
Ich denke, jeder von uns kann sich vorstellen, was zur Zeit in den Kindern passiert und somit erklärt es sich auch, dass immer mehr Kinder zu mir kommen.
Mittlerweile habe ich ein Konzept erarbeitet, um den Kindern zu helfen, das Ganze zu verstehen und gegen die Angst etwas zu tun.